„Vom Goldgrund der Kirchengeschichte. Ein Hubert-Jedin-Lesebuch“

Eine Buchbesprechung von Martin Bürger.
Erstellt von Martin Bürger am 22. Januar 2017 um 14:56 Uhr
Bildquelle: Patrimonium-Verlag

Hubert Jedin (1900–1980) war einer der renommiertesten Kirchenhistoriker des vergangenen Jahrhunderts. Wie Father John O’Malley SJ in „Kirchengeschichte im Porträt“ schreibt: „Sein Ruf gründet sich vor allem auf der vierbändigen Geschichte des Konzils von Trient (veröffentlicht zwischen 1949 und 1975) und auf seinen weiteren Schriften zum Konzil. […] Jedin war auch Hauptherausgeber des siebenbändigen Handbuchs der Kirchengeschichte (1962–1979), das vielfach übersetzt wurde und seinen Namen selbst bei Lesern bekannt machte, die seine Schriften zum Konzil von Trient oder zu anderen historischen Spezialfragen nicht kennen.“

Soeben hat Joseph Overath, der selbst einige Zeit Mitarbeiter von Hubert Jedin war, ein kleines Florilegium mit dem Titel „Vom Goldgrund der Kirchengeschichte. Ein Hubert-Jedin-Lesebuch“ im Patrimonium-Verlag vorgelegt. Dabei handelt es sich gleichzeitig um den zweiten Band der Reihe „Studium der Theologie“. Der Leser findet Auszüge aus den verschiedensten Werken des Kirchenhistorikers, die von Overath zu drei Schwerpunkten geordnet wurden.

An erster Stelle geht es um das „Zeitalter der Glaubensspaltung im 16. Jahrhundert“, wobei passend zum Lutherjahr 2017 einige wichtige Klarstellungen erfolgen. Auch Begriffe werden präzisiert. So unterscheidet Jedin zwischen katholischer Reform und Gegenreformation: „Aus der katholischen Reform zieht die Kirche die Kraft zur Abwehr der Neuerung. Sie ist die Voraussetzung für die Gegenreformation. Alles, was sie leistet, kommt indirekt der Abwehr zugute, ist aber in sich genommen nicht selbst Abwehr, sondern Entwicklung des eigenen Lebensgesetzes der Kirche.“ Die katholische Reform war nicht einfach eine Reaktion auf eine vorgebliche Aufdeckung von Missständen durch die protestantische Bewegung, sondern hatte schon vorher begonnen, freilich ohne das Papsttum hinreichend zu erobern. „Um den Gegner abzuwehren, schafft sich die Kirche neue Methoden und neue Waffen, mit denen sie schließlich zum Gegenangriff übergeht, um das Verlorene wiederzugewinnen. Der Inbegriff der durch diese Reaktion an der Kirche ausgebildeten Merkmale und ihre Betätigung heißt Gegenreformation.“

Auf dieses erste Kapitel folgt eine Beschäftigung mit der Frage: „Was ist Kirchengeschichte?“ In einem 1967 in Mailand gehaltenen Vortrag sagte Jedin sehr schön: „Wenn Sie sich in die Geschichte der Kirche vertiefen, sie als Theologie und als Geschichte erfassen, werden Sie durch den Wechsel der Zeiten und der Menschen ihren Goldgrund durchschimmern sehen: den Christus heri, hodie et in saecula.“

Über das Zweite Vatikanische Konzil und dessen Folgen macht sich Jedin im dritten Kapitel Gedanken. Schon 1968, also gerade einmal drei Jahre nach dem Ende des Konzils, zog er Parallelen zur Zeit Martin Luthers. „Die gegenwärtige Kirchenkrise in Deutschland ist, wie im 16. Jahrhundert, in ihrem innersten Wesen Unsicherheit und Desorientierung im Glauben. Die protestantische Bibelkritik ist auf breiter Front in die katholische Theologie eingebrochen.“ Ein von Hubert Jedin als Reaktion formuliertes Acht-Punkte-Programm verdient gerade heute wieder Beachtung. Ein Beispiel: „Pfarrer und Kapläne, die in der Lehre oder durch ihre Verhalten (z. B. gegenüber der Hl. Eucharistie) in offenen Gegensatz zur kirchlichen Disziplin treten, sind zu suspendieren, auch wenn dadurch vorübergehend schwere Lücken in der Seelsorge entstehen.“

Die kurze Predigt von Weihbischof Hubert Luthe anlässlich des Requiems für Hubert Jedin rundet das Buch ab. Es ist Joseph Overath gelungen, die verschiedenen Texte aus dem Werk des Kirchenhistorikers so auszuwählen, dass der Leser die Bedeutung verschiedener Ereignisse für die heutige Zeit erfährt. Overath urteilt in seinem Vorwort: „Was an Hubert Jedins Texten so erfrischend katholisch ist, ist die Tatsache, dass er die Kirchengeschichte, weil sie Theologie und Geschichte ist, als Hinführung zum göttlichen Stifter der Kirche, zu Jesus Christus, verstand.“

Martin Bürger

Bibliografische Informationen:

Joseph Overath
Vom Goldgrund der Kirchengeschichte. Ein Hubert-Jedin-Lesebuch
Broschur, 120 Seiten
Patrimonium-Verlag
ISBN 978-3-86417-085-0
12,10 Euro

Foto: Vom Goldgrund der Kirchengeschichte (Buchcover) – Bildquelle: Patrimonium-Verlag

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