Überstürzte Orientierungshilfen einzelner Diözesanbischöfe rechtlich noch gar nicht umsetzbar
Von Dr. iur. can. Gero P. Weishaupt
Es ist aus der bisherigen Diskussion klar geworden, dass aus kirchenrechtlicher Sicht die pastorale Handreichung bzw. Orientierungshilfe, die es evangelischen Christen in einer konfessionsverschiedenen Ehe mit einem Katholiken ermöglicht werden soll, im Einzelfall und nach einem seelsorglichen Gespräch die heilige Kommunion zu empfangen, überhaupt noch gar nicht umsetzbar sind. Der Ständige Rat als auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz haben in ihrer Erklärung darauf hingewiesen, dass man nun auf eine Antwort aus Rom auf die Frage wartet, was mit der „schweren Notlage“ gemeint ist, und dass bei der folgenden Versammlung der Bischofskonferenz im Herbst über das weitere Vorgehen in dieser Frage nachgedacht würde.
In der Ökumene kein „Vorpreschen“ (Papst Franziskus)
Ungeachtet der Vorgaben des Ständigen Rates und der Worte des Papstes, in Sachen, die die Ökumene betreffen, nicht „vorzupreschen“, haben einige Diözesanbischöfe ihren Priestern die Orientierungshilfe bereits zur Ausführung empfohlen, so etwa die (Erz)Bischöfe von Hamburg, Magdeburg, Paderborn und Aachen. Im Erzbistum Paderborn erklärten daraufhin am Dienstag die Mitglieder des Priesterkreises Communio veritatis „einmütig“, dass die Weisung ihres Erzbischofs Hans-Josef Becker „unannehmbar ist“. Dabei berufen sie sich auf den Katechismus der Katholischen Kirche, Aussagen von Papst Johannes Paul II. und das geltenden Kirchenrecht. Diese Priester dürfen sich durch das bishereige Lehramt der Kirche (KKK, Papst Johannes Paul II.) sowie das geltende Kirchenrecht gestützt wissen. Kein Bischof darf sie zu einer Handlung zwingen, die gegen geltende Lehre und Normen verstoßen. Das Gewissen der Eheleute muss geachtet werden. Ebenso haben die Bischöfe aber auch das Gewissen ihrer Priester zu respektieren, wenn sie im Gehorsam dem Lehramt und dem Kirchenrecht gegenüber anders handeln als in der Orientierungshilfe empfohlen. Darum gilt in Treue zum Lehramt und dem geltenden Kirchenrecht: Nach der Orientierungshilfe ist vor der Orientierungshilfe.
Kein Mangel an „Spender der eigenen Gemeinschaft“
In der kirchenrechtlichen Frage kam außerdem ein wichtiger Punkt bisher noch gar nicht so recht zur Sprache:
Der Gesetzgeber fordert in can. 844 § 4 im Hinblick auf den Kommunionempfang durch Christen, die noch nicht in der vollen Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche leben (vgl. Vatikanum II, Ökumenismusdekret Nr. 3), außerdem, dass sie bei Erfüllung der genannten Bedingungen nur dann die heilige Kommunion empfangen dürfen, wenn sie „einen Spender der eigenen Gemeinschaft nicht aufsuchen können“ („qui ad suae communitatis ministrum accedere nequeant“). Dies dürfte aber in Diözesen, die in deutschen Gebieten mit mehrheitlich evangelischen Christen und anderen protestantischen Gemeinschaften liegen (Diaspora), kaum der Fall sein. Denn dort gibt es noch ausreichend Geistliche ihrer Gemeinschaften. Darum ist in der Praxis die Kommunion an einen evangelischen Christen schon aus diesem Grunde kaum vorstellbar.
Rechtlich steht auf jeden Fall fest: Solange aus Rom keine authentische Interpretation des can. 844 § 4, insbesondere des Begriffes der „schweren Notlage“ vorliegt, gilt auch in Deutschland weiterhin die bisherige Praxis. Und das heißt: Evangelische Christen können nach wie vor nur unter den in can. 844 § 4 genannten Bedingungen die heilige Kommunion empfangen. Diese sind:
- Todesgefahr oder eine „schweren Notlage“ (d.h. objektive äußere Gründe wie Krieg, Naturkatastrophen, Gefangenschaft, Verfolgung) ;
- Unmöglichkeit (nicht Schwierigkeit !!!), einen Spender der eigenen Gemeinschaft aufzusuchen;
- die vom nicht katholischen Christen persönlich geäußerte Bitte, die heilige Kommunion zu empfangen;
- Bekundung des katholischen Glaubens durch den nicht katholischen Christen bezüglich der heiligen Eucharistie (vor allem reale Gegenwart Christi unter den sakramentalen Gestalten, Opfercharakter der heiligen Eucharistie).
- Der nichtkatholische Christ muss „in rechter Weise disponiert“ sein.
Alle genannten Bedingungen müssen gleichzeitig erfüllt sein.
Kommuniongemeinschaft setzt Kirchengemeinschaft voraus
In allen anderen Fällen wie etwa im Fall einer konfessionsverschiedenen Ehen ist die Voraussetzung zum Kommunionempfang nach geltendem Kirchenrecht und dem Katechismus der Katholischen Kirche die Zugehörigkeit zur Katholichen Kirche. Darum hat die Pastoral auf die Konversion des evangelischen Partner in die Katholische Kirche hinzuwirken, wenn dieser ein „geistliches Bedürfnis“ empfindet, den Leib Christi im Sakrament der heiligen Kommunion zu empfangen.
Kommuniongemeinschaft setzt notwendig Kirchengemeinschaft voraus. Ziel der Ökumene ist nach dem Ökumenismusdekret des Zweiten Vatikanischen Konzils die volle Eingliederung der Christen, die noch nicht in der vollen Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche stehen, in die wahre Kirche Christi, die ebenfalls nach Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils einzig in der Katholischen Kirche ganz und gar verwirklicht („subsistit“) ist. Es ist die sichtbare Kirche unter Leitung des Nachfolgers des Apostels Petrus, d.h. des Papstes, und der Apostel, d.h. der Bischöfe.
Foto: Bischofsweihe, Stefan Heße – Bildquelle: Erzbistum Hamburg/Kathrin Erbe