Streitfrage der Ekklesiologie

Ă„ndert die Kirche die Gesellschaft oder die Gesellschaft die Kirche?
Erstellt von kathnews-Redaktion am 19. November 2014 um 19:41 Uhr
Monstranz

Von Markus Lederer:

Hinter den heutigen Diskussionen über die üblichen Streitthemen (Zölibat, Frauenordination etc.) steckt zutiefst eine Krise der Ekklesiologie. Es handelt sich hierbei um die Frage, ob die Kirche die Gesellschaft verändert oder ob die Gesellschaft die Kirche verändert. Oftmals entsteht ein Bild, als ob per Meinungsumfrage die Moral und die Lehre der Kirche geändert werden könnte. Diese Krise ist darauf zurückzuführen, dass oftmals auch Katholiken nicht mehr wissen, was der Grund der Kirche ist und woher sie sich konstituiert. Es war ein Herzensanliegen der beiden vergangenen Päpste, dem hl. Johannes Paul II. und Papst (em.) Benedikt XVI., den Gläubigen wieder zu vergegenwärtigen, was das Wesen und der Zweck der Kirche ist. Der hl. Johannes Paul II. schrieb im Jahre 2003 die Enzyklika Ecclesia de Eucharistia und machte darin deutlich, dass die Kirche durch die heilige Eucharistie und von der heiligen Eucharistie her sich definiere. Des Weiteren war es der Kern der Dissertation Joseph Ratzingers darzulegen, ob die Kirche sich vom Volk Gottes her definiere oder ob sie sich als Leib Christi verstehe.

Der Begriff „Volk Gottes“ falsch verstanden

In seinem Vorwort zur Neuauflage seiner Dissertation „Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche“ (1992) macht Ratzinger auf den Kern des Problems einer falsch verstandenen Lehre der Kirche aufmerksam. „Das Wort vom Volk Gottes, aus seinem Zusammenhang gelöst, gab nun den Weg frei für eine mehr oder weniger rein soziologische Betrachtung der Kirche, bei der das Mysterium nichts mehr zu sagen hatte.“ Hier verweist Ratzinger auf die Früchte einer falschen Interpretation des „Volk Gottes“-Begriffes. Falsch verstanden wird dieser Terminus, wenn er bedeutet, dass die Kirche sich rein auf den Gläubigen aufbaue und jene, als deren wichtigsten Bestandteil darüber entscheiden könnten, wie die Lehre der Kirche auszusehen habe oder nicht. Ein einfaches Beispiel für diese Entartungen des „Volk Gottes“-Begriffes ist die Initiative „Wir sind Kirche“. In ihren Zielen ist beispielsweise nachzulesen, dass der Bischof vom „Volk Gottes“ gewählt werden soll. Zusammengefasst handelt es sich wieder um die Frage, ob die Kirche die Gesellschaft verändert, oder ob die Gesellschaft die Kirche verändert.

Zweites Vatikanisches Konzil

Auch ist der Begriff falsch verstanden, wenn er nicht als Einheit von getauften Christgläubigen und den geweihten Amtsträgern gesehen wird, wenn zwischen „unten“ und „oben“ ein internes „Schisma“ konstruiert wird. Volk Gottes besagt immer das Ganze: Gläubige und Hierarchie. So lehrt es das Zweite Vatikanische Konzil.

„Volk Gottes“ nach Cyprian

Bereits bei Cyprian von Karthago (ca. 200 n. Chr. -258 n. Chr.) wurde deutlich, dass es nie zu einer einseitigen Definition der Ekklesiologie vom „Volk Gottes“ her kommen kann. Er bettet den Terminus „Volk Gottes“ in den Begriff des „Leibes Christi“ ein. Verständlich macht er dies von der Eucharistie her. „Der Wein stellt Christi Blut dar, das Wasser aber den populus. Wenn aber im Kelch dem Weine Wasser beigemengt wird, dann wird das Volk mit Christus geeint und das Volk der Glaubenden dem bräutlich verbunden, an den es glaubt.“ Dadurch wird deutlich, dass weder nur Wasser noch rein Wein dargebracht werden kann. Der Wein (Blut Christi) braucht das Wasser („Volk Gottes“) um zu dem zu werden, was er ist. Dadurch ist klar, dass nur in der Eucharistie es zu einer Verbindung zwischen dem „Volk Gottes“ und dem Herren kommen kann. Hier liegt der eigentliche theologische Grund, dass das „Volk Gottes“ ohne Eucharistie und dem Herren nutzlos ist. Somit wird verständlich, dass die Ekklesiologie sich auf der Eucharistie aufbaut, denn dadurch wird das „Volk Gottes“ erst konstituiert.

Eine eucharistische Ekklesiologie

Sowohl Joseph Ratzinger als auch Johannes Paul sprechen von einer eucharistischen Lehre von der Kirche. Von der Eucharistie, dem Kreuzesopfers auf Golgatha, definiert sich die Kirche. Nicht rein vom „Volk Gottes“, denn nur durch das Opfer Christi wird jenes erst dazu. Henri de Lubac bringt dies auf den Punkt, wenn er davon spricht, dass die Kirche nicht ohne Eucharistie bestehen kann. „Die Eucharistie schafft die Kirche.“ Schließlich spricht der hl. Johannes Paul davon, dass Christus der Kirche das einzige Opfer, sein Kreuzesopfer, anvertraut hat, so dass sie von diesem Opfer her lebe. (Vgl. Ecclesia de Eucharistia).

In der außerordentlichen Versammlung der Bischofssynode 1985 wurde die „Communio-Ekklesiologie“ als die zentrale und grundlegende Idee der Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils verstanden. Dadurch wird klar, dass die Ekklesiologie sich nicht auf den Ideen mancher aufbaut, die sich anmaßen für das gesamte „Volk Gottes“ zu sprechen, sondern von der Eucharistie, denn sie ist das Geschenk unserer Erlösung. Wenn die Kirche sich rein auf dem „Volk Gottes“ aufbauen würde, wäre sie schließlich rein menschlicher Natur. Nur durch die Eucharistie wird sie zu dem, was sie ist, ein geschenktes Sakrament, welches sich durch die Eucharistie, das Opfer Christi auf Golgotha, konstituiert. Nur von und durch die Eucharistie ist die Kirche verstehbar.

Schließlich bleibt zu sagen, dass die Kirche aufgerufen ist, die Menschen zu ändern, hin zu dem, der von sich sagt, er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben und sich nicht durch die Gesellschaft verändern lassen darf, denn dadurch wird keiner gerettet. „Die auf Erden pilgernde Kirche ist aufgerufen, die Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott wie auch die Gemeinschaft unter den Gläubigen zu bewahren und zu fördern. Dafür besitzt sie das Wort und die Sakramente, vor allem die Eucharistie, aus der die Kirche »immerfort lebt und wächst“ (Ecclesia de Eucharistia).

Foto: Monstranz – Bildquelle: © Franziska Strecker, NIGHTFEVER Kassel

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