Musica Sacra – Neue Chance durch das Motu Proprio „Summorum Pontificum“

Das Motu Proprio öffnet den Weg für eine „Reform der Reform“ (bzw. für die Bereicherung der sogenannten ordentlichen Form des Römischen Ritus durch die klassische Form des Römischen Ritus) der nachkonziliaren Liturgie im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils. 6. Teil: Musica Sacra - Die Brücke zwischen den beiden Formen des Römischen Ritus.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 27. August 2016 um 11:20 Uhr

(aus: Gero P. Weishaupt, „Päpstliche Weichenstellungen“, 175 f.)

Der Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils

In der letzten Folge haben wir festgestellt: Das Zweite Vatikanische Konzil hebt ausdrücklich den Gregorianischen Choral und besonders die Polyphonie hervor:
„Die Kirche betrachtet den Gregorianischen Choral als den der römischen Liturgie eigenen Gesang. … Andere Arten der Kirchenmusik, besonders die Mehrstimigkeit, werden für die Feier der Liturgie keineswegs ausgeschlossen … (Sacrosanctum Concilium Art. 116).

Wirkung der Sakralen Musik

So ist es nur ein konsequentes Postulat einer „Reform der Reform“ bzw. Korrektur der nachkonziliaren Liturgie im Lichte der klassischen Liturgie und dem deutlichen Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils, der Musica Sacra ihren Platz zurückzugeben, der ihr nach den Vorgaben des Konzils in der Liturgie gebührt. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die kulturprägende, weltverbessernde und menschenunwandelnde Kraft der katholischen Liturgie sich gerade nicht zuletzt der Schönheit der ihre eigenen sakralen Musik verdankt. Da nun die

„gregorianisch-tridentinische Liturgie Geburtsstätte und Einsatzort des großen überlieferten Schatzes der Musica Sacra ist“ (M. Tunger)

bedeutet das Motu Proprio Summorum Pontificum eine Chance, wieder aus diesem reichen Schatz für die Messfeier nach dem Missale Romanum Pauls VI., also nach der sogenannten ordentlichen Form des Römischen Ritus, zu schöpfen.

„Dabei liegt genau hier die besondere Chance, durch eine identische Musica Sacra, ein identisches Klanggewand, eine solche Brücke zwischen ordentlicher und außerordentlicher Form des Ritus zu schlagen, daß die zunächst wohl überraschende These Benedikts XVI. von dem einen Ritus in zwei Formen erst wirklich verständlich und einleuchtend wird“ (G. B. Steinschulte, „Zur Situation der katholischen Kirchenmusik“, 27).

Lernprozess auch bei „Altrituellen“ notwendig

Der Aachener Musiktheoretiker, Chorleiter und Organist, Dr. Michael Tunger, selbst langjähriger Sänger im Aachener Domchor, wies allerdings darauf hin, dass auch in Kreisen von Anhängern der überlieferten Messe ein falsches Verständnis, ja gar eine Abweisung der Musica Sacra feststellbar ist.

„Die hohe Würde und das tiefe Wesen der Musica Sacra … scheint aber leider auch Gläubigen, die am gregorianisch-tridentinischen Ritus teilnehmen oder ihn gar zelebrieren, des öfteren nicht bewußt zu sein. Eine wichtige Frage ist die nach der Beseitigung von Doppelungen der liturgischen Texte, die eigentlich eine ureigene Aufgabe des Chores sind, in der Missa cantata. Hitzige Debatten mit altrituellen Priestern gibt es dazu immer wieder.

Besonders drastisch erlebte ich die Ablehnung der überlieferten Musica Sacra in der Liturgie noch in anderer Hinsicht, so beispielsweise bei einem feierlichen Pontifikalamt im alten Ritus anläßlich einer einschlägigen Fachtagung (!) in Köln, bei dem ein halbprofessioneller Chor eine Messe der altklassischen Polyphonie ausführte. Der Kommentar einiger sich stark für die Alte Messe engagierter Messbesucher lautete tatsächlich: ‚Wir wollen aber beim Ordinarium mitsingen!‘ Eine Forderung die uns zur Genüge aus der Zeit der refomierten Liturgie bekannt ist“ (M. Tunger, „Ansprache zur Eröffnung der SINFONIA SACRA – Jahrestagung 2008, in: Musica Sacra, Die katholische Kirchenmusik im Lichte des Motu Proprio Summorum Pontificum Papst Benedikts XVI. [hrsg. v. M. Tunger] Aachen 2009, 11.).

Die Bemerkungen des Aachener Musikers zeigen, wie auch bei traditionellen Gläubigen eine liturgische Schulung notwendig ist.

Korrektur nachkonziliarer Fehlentwicklungen

Soll die Einheit im Ritus beider Formen wahrgenommen werden, dann darf der überlieferte Reichtum der Musica Sacra nicht nur bei Konzerten aufgeführt werden und auf CD´s zu hören, sondern muss den ihr gebührenden Platz in der Liturgie, für die sie geschaffen worden ist, zurückerhalten.
Das Motu Proprio Summorum Pontificum fungiert auf diese Weise als Katalysator im Läuterungsprozeß einer bedauernswerten Fehlentwicklung in den Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, einer Entwicklung, die – abgesehen von einigen wenigen lobenswerten Ausnahmen – sowohl zur Verbannung der überlieferten Kirchenmusik aus der Liturgie der Kirche geführt hat als auch das Bewusstsein dafür geschwächt hat, dass die Musica Sacra nicht ein äußerer Bestandteil, ein Schmuck der Liturgie ist, sondern ein der Liturgie innewohnendes Element. In der Rückbesinnung auf diese Einheit von Liturgie und Kirchenmusik und im Namen dieses „Reichtum(s) von unschätzbarem Wert“ (SC, Art. 113) trägt das Motu Proprio bei, die nachkonziliare Entwicklung zu korrigieren, die „Reform der Reform“ anzutreiben und den Konzilsauftrag auch in Bezug auf die Kirchenmusik in die Praxis umzusetzen.
aus: Gero P. Weishaupt, Päpstliche Weichenstellungen. Das Motu Proprio Summorum Pontificum Papst Benedikts XVI. und der Begleitbrief an die Bischöfe. Ein kirchenrechtlicher Kommentar und Überlegungen zu einer „Reform der Reform“, Bonn 2010, 175 f.)

Vorausblick

In der nächsten Folge (immer samstags) lesen Sie im Rahmen dieser Reihe über die Reform der Reform der nachkonziliaren Liturgie bzw. der Bereicherung der ordentlichen Form durch die klassische Form des Römischen Ritus meine Vorschläge einer Änderung im Missale Romanum Pauls VI. selber. Bisher ging es in dieser Reihe ja immer um Korrekturen nachkonziliarer Fehlentwicklungen in der Liturgie. Dazu gehört die ausschließliche Zelebration zum Volk, der faktische Wegfall der lateinischen Sprache, des Gregorianischen Chorals und der klassischen Polyphonie und nicht zuletzt auch die Einführung der Handkommunion, die bekanntlich nicht ein Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils gewesen ist. Auf die Rechtslage hinsichtlich der Hand- und Mundkommunion komme ich zu einem späteren Zeitpunkt ausführlich zurück.
Bisherige Beiträge in dieser Reihe

Vatikanum II wünscht den Erhalt des Gregorianischen Chorals und der Polyphonie.

Die Zelebration zum Osten richtet Priester und Gemeinde gemeinsam auf den Herrn und nicht auf sich selbst.

Vatikanum II: Der Gebauch der lateinischen Sprache soll erhalten bleiben.

Das Problem der Ãœbersetzungen ist ein ernstes Problem.

Was die ordentliche Form von der klassischen Form des Römischen Ritus lernen kann.

Foto: Buchcover – Päpstliche Weichenstellungen – Bildquelle: Verlag für Kultur und Wissenschaft

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