Karl dem Großen so nah wie noch nie

Aachen: 800-Jahrfeier des Karlsschreines.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 17. Juli 2015 um 19:10 Uhr
Aachener Dom - Innenansicht

Von Gero P. Weishaupt:

Aachen (kathnews). „Am Montag ließ der gleiche König nach der Meßfeier die Gebeine des seligen Karl. d. Gr. in einen sehr kostbaren Schrein, den die Aachener angefertigt hatten, bestückt mit Gold und Silber, hineinlegen, nahm den Hammer, legte seinen Mantel ab, bestieg mit dem Künstler das Gerüst und verschloß vor aller Augen mit dem Meister durch Einschlagen der Nägel den Schrein“ (Annalen Reiners von St. Jakob in Lüttich, in: W. Kämmerer, Aachener Quellentexte, 1980, 129.).

Der König, von dem in diesem Text die Rede ist, war Friedrich II. von Hohenstaufen Am 25. Juli, dem St. Jakobustag, wurde er in der Pfalzkirche Karls des Großen, dem heutigen Dom, zum König des Heiligen Römischen Reiches gekrönt. Zwei Tage später, am 27. Juli 1215, vollendete er mit dem Hammerschlag jenen Schrein, der fortan die sterblichen Überreste des großen Frankenherrschers bergen sollte. Der Aachener Karlsschrein kann wohl als der bedeutendste Herrscherschrein des christlichen Abendlandes gelten. Ruhen in ihm doch die Gebeine des Begründers des abendländischen (christlichen) Kaisertums.

Heiligsprechung Karls des Großen vor 850 Jahren

Die Entstehung des Karlsschreines steht in einem engen Zuzammenhang mit der Heiligsprechung Karls des Großen, die Kaiser Friedrich I. Barbarossa 50 Jahre vor der Fertigstellung des kostbaren Schreines veranlaßt hatte. Die Kanonisation war – wie auch die Überführung der sogenannten „heiligen drei Könige“ aus Mailand nach Köln – freilich ein Ausdruck für die staufische Kaiseridee. Diese muss im historischen Kontext des Konfliktes zwischen Papst und Kaiser im Mittelalter gesehen werden, der gerade in der Stauferzeit seinen Höhepunkte erlangt hat. Wenngleich die Kanonisation Karls des Großen kirchenrechtlich höchst umstritten ist – zwar entsprach sie formalrechtlich den damaligen kanonischen Vorgaben für eine Heiligsprechung, aber der Akt also solcher muss wohl als nichtig gewertet werden, da er von einem Gegenpapst, Paschalis III.,  in Auftrag gegeben worden war – ist die Verehrung und Wertschätzung Karls des Großen, die auch kultisch ihren Ausdruck gefunden hat, unbestritten. Bereits wenige Jahrzehnte nach der Kanonisation, also noch in der zweiten Hälfe des 12. Jahrhunderts, bildete sich eine eigene Karlsliturgie heraus. Die kultische Verehrung des Frankenherrschers wurde später vom Apostolischen Stuhl für besondere Orte in Europa erlaubt. So werden jährlich in Aachen und Frankfurt am Sterbetag des Kaisers, dem 28. Januar, liturgische Feiern zu seiner Ehre gehalten.

Ein Kleinod besonderer Art

Der Aachener Karlsschrein, der noch vor dem Kölner Dreikönigenschrein entstanden ist, zeichnet sich durch ein außerordentliches Bildprogramm aus. Anstelle von Heiligen und Aposteln thronen an den Längsseiten dieses in der Form einer Kirche angefertigten Schreines je acht Könige des Heiligen Römischen Reiches, also die Nachfahren Karls des Großen, bis zu Friedrich II von Hohenstaufen. Auf der Stirnseite sieht der Betrachter den segnenden Christus und unter ihm thronend Karl den Großen, flankiert auf der einen Seite von Papst Leo III., der ihn am Weihnachtstag des Jahres 800 in Rom zum Kaiser gekrönt hat – ein epochales Ereignis, da durch die Kaiserkrönung Karls das Kaisertum der antiken Roms auf die Franken übertragen worden ist (sog. Translatio Imperii), wodurch  Aachen als die Hauptresidenz Karls zum „Rom des Nordens“ avancierte – auf der anderen Seite von Erzbischof Turpin von Reims. Die Rückseite des Karlsschreines ziert die Gottesmutter mit Kind. Sie ist die Patronin der Pfalz Karls des Großen, des heutigen Domes, und der Stadt Aachen. Die literarische Quelle für das „Dachprogramm“ des Schreines ist der sogenannte „Pseudo-Turpin“, eine lateinische Handschrift aus dem 12. Jahrhundert, die im Zusammenhang mit der Heiligsprechung Karls entstanden ist. Nach ihr  haben die Aachener Künstler die legendäre Lebensgeschichte auf dem „Dach“ des Schreines des Frankenherrschers dargestellt.

Neben dem Barbarossaleuchter im Aachener Oktogon, dem Marienschrein mit den vier großen bibilischen Heiligtümern in der gotischen Chorhalle, dem Karlsthron auf der Westempore, der Goldenen Kanzel Heinrichs II. an der Nahtstelle zwischen Oktogon und gotischer Chorhalle an der Südseite des Domes zum Norden hin ausgerichtet, der Pala d´Oro, dem goldenen Antependium vor dem Zelebrationsaltar im östlichen Joch des Oktogons, und der berühmten Karlsbüste in der Domschatzkammer, dessen Krone ein Geschenk Kaiser Karls IV. ist,  stellt der Karlsschrein zweifellos das kostbarste Juwel des Aachener Domes dar. Dessen Kirchenschatz ist der reichste und bedeutendste nördlich der  Alpen  –  eben ganz entsprechend der Würde des Kaiserdomes zu Aachen als Grabes-, Krönungs-, Wallfahrts- und Bischofskirche (Kathedrale). Als erstes deutsches Denkmal wurde der Aachener Dom 1978 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen – weltweit gehörte er 1978 zu den ersten Zwölf! 

Feierlichkeiten zum Jubiläum des Karlsschreines

Vor 800 Jahre wurde der Karlsschrein fertiggestellt. Dies ist ein Anlass zum Feiern. Der Karlsschrein steht darum im Mittelpunkt einer Festwoche vom 23. bis 27. Juli 2015. Während der Festtage wird der Schrein seinen derzeitigen Platz in der Chorhalle des Aachener Doms verlassen und wieder nahezu an seinem ursprünglichen Standort im Oktogon aufgestellt. Der ursprünglich Standort war das Ostjoch des Oktogons des Domes, dort wo sich heute der Zelebrationsaltar mit der Pala d`Oro befindet. Seinen heutigen Platz in der gotischen Chorhalle erhielt der Schrein mit deren Fertigstellung im Jahr 1414. Im letzten Jahr hat Aachen die 600-Jahrfeier der gotischen Chorhalle, dem „Aachener Glashaus“, gebührend gefeiert.

An den kommenden Festtagen anlässlich der 800-Jahrfeier des Karlsschreines haben die Besucher die einzigartige Gelegenheit, Karl dem Großen besonders nahe zu sein. Sie können den Karlsschrein aus einer ganz neuen Perspektive erleben und an besonderen Führungen teilnehmen. Während der Festtage erleben die Besucher ein abwechslungsreiches Programm mit Gottesdienstfeiern, Konzerten, Vorträgen und kulturellen Angeboten. Über eine eigens eingerichtete Homepage „800 Jahre Karlsschrein“ können Interessierte sich über das Festprogramm eingehend informieren und auch andere wissenswerte Informationen über den Karlsschrein erhalten.

Weitere Online-Beiträge über den Aachener Dom und Karl den Großen

Karlsschrein. (Interview mit Frau Dr. Herta Lepie)

Aachener Dom. Monument der Ewigkeit

Aachener Dom. (Filmaufnahmen Außenansicht)

29. Dezember. Jahrestag der Heiligsprechung Karls des Großen

Foto: Aachener Dom. Chorhalle – Bildquelle: Kathnews

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmen Sie dem zu.

Datenschutzerklärung