Die Wüstenmütter – Weise Frauen des frühen Christentums

Eine Buchbesprechung von Hans Jakob Bürger.
Erstellt von Hans Jakob Bürger am 10. Juli 2016 um 21:27 Uhr

Für das Verständnis des Rezensenten sind Wüstenmütter des frühen Christentums sicherlich auch weise Frauen, vor allem aber Frauen, die die Welt, nämlich die urbane Zivilisation, verlassen haben, um Gott zu suchen. Dafür ist schließlich der Vater der Wüstenmönche, Abbas Antonius der Große, immer tiefer in die Wüste eingezogen. Gabriele Ziegler sieht dies in ihrem Buch „Die Wüstenmütter. Weise Frauen des frühen Christentums“ offenbar ein wenig anders. Für sie sind Wüstenmütter „geistgeführte Frauen“ die sich „einlassen auf die Provokationen Gottes“. Bis zu dieser Definition auf Seite 30 des Buches kommt Gott nur ganz selten vor; erstmals auf Seite 23.

Das vorliegende Buch ist im neuen Label „camino“ der Stuttgarter Verlagswerkstatt des Katholischen Bibelwerkes erschienen. Das Label steht „für eine kritische Zeitgenossenschaft und für eine authentische Glaubenszeugenschaft in ökumenischer Offenheit“ und bietet ein weites Feld möglicher Veröffentlichungen. Sicher ist der Titel des Buches geeignet, einer „ökumenischen Offenheit“ Rechnung zu tragen, mit dem der Absatz des Buches vorangetrieben werden soll.

Ebenso führt der Hinweis des Verlags, dass das Buch „nach authentisch weiblicher Spiritualität“ suche, sicher nicht in die Richtung, die das Glaubenszeugnis der „Wüstenmütter“ ausmachen. Denn der Inhalt des Buches entführt den Leser in weiten Strecken auf eine gewisse therapeutische Ebene. Nicht Gott steht da im Mittelpunkt, sondern die „Psychologie von Frauen und Männern“. Dadurch bricht sich eine gewisse Flachheit Bahn, die nur durch die Zitate der Wüstenmütter aufgehoben wird. Denn diese sind in der Tat jene Teile, die dem Buch seine Berechtigung geben. Heben wir nun also hervor, was das Buch lesenswert macht.

Die Wüstenväter wie auch die Wüstenmütter hatten die Gesellschaft, in der sie lebten, hinter sich gelassen. In der Wüste wollten sie, meist als Einsiedler, aber auch in Gemeinschaften, in der Nachfolge Christi leben. Die westliche Kirche hat die Wüstenmütter weitgehend vergessen; zumindest wurden deren Geschichten, im Gegensatz zu den Wüstenvätern, nicht überliefert, oder manchmal sogar den Männern zugeschrieben.

Hierin liegt die Stärke des Buches. Dr. Gabriele Ziegler – Theologin, Übersetzerin der Werke des Johannes Cassian und Spezialisten für Fragen zu Themen der Frühen Kirche und der Wüstenväter und Wüstenmütter – gibt den Sprüchen der Wüstenmütter in einem ansprechenden Buch einen Rahmen und holt sie dadurch aus dem Schatten der „Apophtegmata Patrum“, der bekannten Vätersprüche.

Die Themen, die in der Wüste behandelt werden, unterscheiden nicht zwischen Frauen und Männern. Es geht um die Nähe Gottes, um die Frage, wie Gott, das Ziel des Lebens, erreicht werden kann. Die Erfahrungen, die dabei zustande kommen, behandeln Wüstenmütter und Wüstenväter gleichermaßen. Immer wieder geht es hier wie da um Reinheit des Herzens, die mit der Unzucht konkurriert. So ist der Kampf mit den Leidenschaften eine lebenslange Aufgabe. Lassen wir die „Wüstenmutter“ Theodora zu Wort kommen:

„Weh dir, mein Körper, dass du immer noch danach verlangst, dich zu überfressen… Wehe dir, meine Seele! Tag für Tag versprichst du Gott: ‚Morgen bereue ich.‘“

Hans Jakob Bürger

Gabriele Ziegler
Die Wüstenmütter
Weise Frauen des frühen Christentums
Camino Verlag 2015
ISBN 978-3-460-50003-7
160 Seiten; 18,00 Euro

Foto: Die Wüstenmütter – Bildquelle: Camino Verlag

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