Die Rauchfangkehrerkirche

Eine Buchbesprechung von Hans Jakob BĂĽrger.
Erstellt von Hans Jakob BĂĽrger am 3. Juni 2016 um 12:17 Uhr

In einer Zeit lebend, in der uns kirchliche Institutionen wie „KIM-Kirchliches Immobilien-Management“ nicht unbekannt sind weil sie dazu dienen, Kirchen zu schließen, die nicht mehr gebraucht werden oder deren Unterhalt zu teuer geworden ist, wird es uns nicht verwundern einen ähnlichen Stoff in einem Roman verarbeitet zu finden. In dem vom „Patrimonium-Verlag“ herausgegebenen Roman „Die Rauchfangkehrerkirche“ greift der Autor Eugen Banauch, der 1938 geboren, sein Leben als Germanistik, Musikwissenschaft, Graphiker, kaufmännischer Angestellter, Seemann, Galerieleiter und Sekretär, Rezensent, Komparse, Präfekt, Bibliothekar und schließlich mehr als 20 Jahre als Musikerzieher an niederösterreichischen Gymnasien verbrachte, die Geschichte jener Kirche auf, die einst die Heimatkirche der Wiener Schornsteinfeger war, die Kirche Sankt Florian in Wien-Matzleinsdorf.

Jenes Gotteshaus fiel bereits Mitte der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts jenen BedĂĽrfnissen zum Opfer, die gerne als notwenige MaĂźnahmen betrachtet werden, der sich auch kirchliche Belange unterordnen mĂĽssen. In jener Zeit war es der StraĂźenbau, fĂĽr den eine ĂĽber Jahrhunderte gewachsen Gemeindestruktur den BedĂĽrfnissen des modernen Städtebaus die Oberhand erhielt. Die Kirche des hl. Florian, um die herum sich der Auto- und StraĂźenbahnverkehr zu beiden Seiten wand, musste weg. Die alte Matzleinsdorfer Kirche, die Pfarrkirche dieses einstigen Wiener Vorortes, die dem heiliger Florian geweiht war und als Patronatskirche der Schornsteinfeger im Volksmund einfach „Rauchfangkehrerkirche“ genannt wurde, konnte 1725 als schlichter Barockkirche eingeweiht werden. Bereits vorher stand an ihrer Stelle eine Marienkirche. „St. Florian“ wurde 1783 Pfarrkirche. Auf den Befehl Josephs II. hin, sollte sie 1787 abgebrochen werden, was aber am Widerstand der Bevölkerung scheiterte. 1900 wurde die Kirche restauriert. Ab Sommer 1965 wurde die Kirche nach heftigen Diskussionen und trotz eines Volksbegehrens, das es auf 13000 Unterschriften brachte, aus „VerkehrsrĂĽcksichten“ abgetragen. Vorbereitet war dies freilich bereits von langer Hand. Denn eine neue Kirche mit einer modernen, sich der umliegenden neuen Gebäuden ergänzenden Architektur war bereits einige Jahre zuvor errichtet worden, die „Neue Matzleinsdorfer Kirche St. Florian“.

Es sind drei Jahrzehnte sei dem Abbruch der barocken Wiener „Rauchfangkehrerkirche“ vergangen, als sich anlässlich eines Klassentreffens einige ehemaligen Schüler wiedertreffen. Mit seiner Behauptung, seinerzeit hätten nicht nur weltliche und kirchliche, sondern im Verborgenen auch dunkle und starke Mächte ein Interesse an jener Zerstörung gehabt, provoziert einer unter ihnen die anderen. Denn es stellt sich im Verlauf immer mehr die Frage nach dem eigentlichen Objekt der Zerstörung. Die drei verirren so sich immer mehr im Gewirr der je eigenen Vergangenheit mit den immer noch schwelenden seelischen, geistigen Krisen und Eifersüchteleien. So wird jeder der ehemaligen Schulfreunde durch das Treffen aus den gewohnten Bahnen seines Lebens geworfen. Höchst aktuelle Fragen werden von den Romanfiguren formuliert, denen sich auch in unserer Zeit jeder Einzelne stellen und von ihm beantwortet werden muss. Gleichwohl gehen diese Fragen auch an unserer vielfachen undurchdringlichen multikulturellen Unter-Gesellschaften, der sich offensichtlich eine gewisse politische Oberschicht ausgeliefert hat, und welche ebenso zu beantworten haben. Erst ein geheimnisvolles Puppenspiel, mit dem Eugen Banauch aus dem vollen Erfahrungsschatz seines Lebens schöpft, scheint in diesem Roman Antworten auf all die gestellten Fragen anzubieten.

Hans Jakob BĂĽrger

Eugen Banauch
Die Rauchfangkehrerkirche
Patrimonium-Verlag
ISBN: 978-3-86417-049-2
336 Seiten, Preis 19,80 €

Foto: Die Rauchfangkehrerkirche – Bildquelle: Patrimonium-Verlag

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